Diese Auszeichnung war überfällig: Die Deutsch-Französische Gesellschaft Wettenberg würdigte am vergangenen Samstag, 6. August, – wie vom Vorstand bereits im März beschlossen und in der Jahreshauptversammlung mit Beifall zur Kenntnis genommen – die Leistung von Französisch-Lehrerin Irmtraud Günther für das Gelingen des internationalen Schüleraustauschs der Gesamtschule Gleiberger Land (ehem. Wettenbergschule). Während eines Vorstandsempfangs zu Beginn des Bouleturniers in Krofdorf-Gleiberg überreichten wir eine anregende Lektüre – einen “Paris-Krimi“ von Claude Izner. (Mit auf dem Foto: Vorsitzender Norbert Schmidt und Beisitzer Achim Schwarz-Tuchscherer, der hauptberuflich Pädagogischer Leiter der Gesamtschule ist.)
Gerhard Schmidt hatte als 2. Vorsitzender von uns “Deutschfranzosen“ während der Hauptversammlung ausführlich das “deutsch-französische Lebenswerk“ der in Wißmar wohnhaften Pädagogin beschrieben. Zwischen 1989 bis 1999 fanden sechs der alljährlichen Austausche mit dem Collège Diderot in Sorgues unter ihrer Verantwortung statt. Diese Begegnungen basierten auf dem Jugendaustausch der Gründerjahre (1972 ff.) und dem Mitte der 1970er von Rektor Heinrich Gombert aufgenommenen Schüleraustausch mit den Collèges Diderot und Voltaire, wo über etliche Jahre Colette Marquet verantwortlich zeichnete.
Deutsch-Französische Gesellschaft und Gemeinde Wettenberg unterstützten den Schüleraustausch von Beginn an materiell und ideell.
Unvergessen bis heute – Gerhard Schmidt erwähnte es in seiner Lobrede, am Samstag wurde der Einsatz erneut betont – ist Irmtraud Günthers Initiative um eine Partnerschule, nachdem die Freunde in Sorgues wegen mangelnden Interesses an Deutsch als zweiter Fremdsprache abgewinkt hatten und ausgestiegen waren. Die Lehrerin der damaligen Wettenbergschule ging via Internet in Frankreich auf Suche nach möglichen Partnern, wurde fündig und machte sich mit ihrem Ehemann Wolfgang während der Sommerferien “auf eigene Kappe“ selbst ein Bild.
Bürgermeister-Empfang mit Irmtraud Günther (rechts), Gerhard Schmidt (3. von rechts) und Colette
Marquet aus Sorgues (5. von rechts), die sich aufgrund des geringen Interesses an Deutsch-Unterricht in
unserer Partnerstadt alsbald nach Avignon versetzen ließ.
(Foto: Archiv Gießener Allgemeine Zeitung)
Die Wahl fiel auf Grigny bei Lyon – wegen eines sympathischen und einsatzfreudigen Deutschlehrers: Luc Pynaert. Und wegen der günstigen Lage des Ortes an einer Bahn-Hauptstrecke. Irmtraud Günthers Auftreten war überzeugend, denn bereits für den Herbst 2001 hatte sie eine Einladung ins Rhônetal in der Tasche. Fortan fanden – wie ehedem mit Sorgues – zweimal jährlich Begegnungen zwischen Wettenberger Schülern und jungen Franzosen statt; einmal hier, einmal dort. Viermal dabei in Verantwortung von Irmtraud Günther.
Dass das nicht ohne besonderen Einsatz geht, kann sich jeder an den Fingern einer Hand abzählen. Ein reizvolles, informatives Programm ist zu erstellen. Eine “Horde“ von pubertierenden Jugendlichen ist stets neu zu motivieren und in Zaum zu halten. So etwas will finanziert sein.
Gerhard Schmidt verwies zu Recht auf die Bedeutung des Schüleraustauschs: soziales Lernen, die so ganz andere Sprache, der ganz anders erscheinende kulturelle Lebens- und Alltagsentwurf. Und dann die Unterkunft: Schüler bei Schülern, die Lehrer bei Lehrern, ganz privat. Alles Herausforderungen – für die beteiligten Schüler und nicht minder die sie begleitenden Lehrer, von denen unser früherer Bürgermeister namentlich noch Mirka Pesek erwähnte. (Wie er zudem sagte, dass Irmtraud Günther daneben verantwortlich in den Schüleraustausch mit der Zichy-Miklos-Schule in Zsambek/Ungarn eingebunden war.)
Klar, dass am Rande der Begegnung auch über die Zukunft des Schüleraustauschs gesprochen wurde. So lange Luc Pynaert in Grigny unterrichtet, scheint er seitens der Franzosen stabil zu bleiben. Hält die Nachfrage nach Sprachunterricht in Deutsch bzw. Französisch an – oder nimmt sie weiter ab? Nicht zu vergessen: Auch unsererseits war es zeitweise schwierig, Kinder und mehr noch deren Eltern von der Bedeutung des Schüleraustauschs zu überzeugen – und von der Notwendigkeit der privaten Unterbringung. Und auch hier hat Spanisch Rang zwei der Fremdsprachen erklommen.
Bei uns “Deutschfranzosen“ ist der Wille klar definiert: Wir sind fördernder (und in gewissem Maße auch fordernder) Partner der Gesamtschule Gleiberger Land in deren Bemühen, Kindern aus ihrem Einzugsgebiet das Erlernen der französischen Sprache nahezulegen und den Unterricht interessant zu gestalten. Jeder Jugendliche, der an unserer Gesamtschule Französisch lernt, sollte einmal in seiner Schülerbiografie die Möglichkeit zu einer Austauschteilnahme haben, mindestens an einem Besuch im Nachbarland.
Eines der guten Argumente: Mit rund 6000 wird die Anzahl offener Stellen in Frankreich und Deutschland beziffert, in denen – außer branchenüblichem Fachwissen, etwa aus Handel, Verwaltung, Technik etc. – nichts anderes gefordert wird als das Beherrschen beider Sprachen.
Wir wüschen Irmtraud und Wolfgang Günther einen erfüllte Zeit des beruflichen Ruhestands. Mögen sie unsere kritischen und anregenden Begleiter bleiben. Mit ihnen zu reden, von ihrer Erfahrung zu hören, das ist immer ein Gewinn.
No. SCHMIDT, Vorsitzender
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