Sorgues Mairie

Sorgues, Place de la Mairie / Place Charles de Gaulle
Ostern 1972 - Von Wolfgang „Charly“ Hummel fotografiert,
beim Zeichnen jenes Gebäudes, in dem ich
zehn Jahre später mit Susanne getraut worden bin

 

Norbert Schmidt, Wettenberg
Deutsch-Französische Gesellschaft Wettenberg „Die Deutschfranzosen“

Sorgues avec mes yeux et mon coeur,
avec mon âme, mes sentiments.
Versuch einer kleinen Liebeserklärung

Ein Stadtspaziergang
„Sorgues mit meinen Augen und meinem Herzen,
meiner Seele, meinen Gefühlen.“

 

Dies ist zwar nicht die erste, aber gewiss meine bis dahin persönlichste Sorgues-Stadt-Niederschrift, um unsere Partnerstadt bei Avignon im Vaucluse zu beschreiben und - ein Versuch - zu erklären. Zusammengestellt aus Anlass der 8unter meiner Verantwortung letzten großen (Bus-)Tour der Wettenberger Deutschfranzosen nach Südfrankreich, in deren Rahmen ich Mitreisende zu einem Stadt-Spaziergang eingeladen habe.

Alles in im Futur geschrieben, steht aber auch für den Präsens.

Die Wanderung, der Spaziergang, die Abhandlung, sie geraten - nicht unweigerlich, sondern ganz bewusst - zu einem subjektiven Aufsatz.  Möge das Papier Grundlage sein für die Erfüllung des Wunsches, daraus eines Tages ein Büchlein zu machen, das alle seitherigen Wegbegleiter und, mehr noch, alle Nachfolgenden dazu anregen möge, sich mit dieser Stadt zu beschäftigen - mit ihrer Geschichte und  ihrer Gegenwart, mit ihren Schwierigkeiten und ihren Glücksmomenten, mit ihren Perlen und ihrem (leider allzu oft versteckten) Charme, vor allem aber mit ihren Menschen, die uns, den Wettenbergern, namentlich den Krofdorf-Gleibergern, seit 1971/72 so oft unvergleichlich herzliche, immer offene Gastgeber waren. Vielleicht ist es auch eine Liebeserklärung. Mindestens ist es der Versuch, einer Stadt meine Zuneigung zu erklären - und ebenso den Zuhörenden (oder Lesenden). Ach was: Auch mir selbst will ich es darlegen.

 

Altstadt  Altstadt

Vorab gilt unser Blick dem Grundriss der Altstadt von Sorgues, ihrer Lage unmittelbar an der Brücke. Es ist ein nicht nur für Frankreich typischer Stadtplan: Die Häuser dicht beieinander mit glattem Abschluss nach außen hin.  Umgeben von einer Mauer, im Fall von Sorgues überall da, wo nicht der Fluss Schutz bieten kann. Hier die „Bourg“, die Stadt (nicht Burg), und alles was hernach kam, war „Faubourg“, ergo Vorstadt.

 

Pont de Sorgues

 

Brücke und Château

Die Stadt verdankt ihren Namen der Brücke über die Sorgues - oder auch die Ouvèze. Letztere kommt aus der Haute-Provence. Die Sorgue entspringt in Fontaine de Vaucluse. Beide Flüsse fusionieren an der Gemarkungsgrenze von Sorgues und Bedarrides. Ältere Landkarten führen mal diesen, mal den anderen Namen für den (gemeinsamen) Fluss. Historisch ist immer nur von Pont-de-Sorgo (auch in Abwandlungen) die Rede. In der Neuzeit (Mitte 19.Jh) stets von Sorgues sur l’Ouvèze. Eine Erfindung der Administration (Präfekt/Post), wider den Willen der Menschen hier, denn die sagen: Es ist die Sorgue, die die Landschaft bade. Die Ouvèze ist ein Nebenfluss, der in Bedarrides ende und in die Sorgue münde. So hieß es 1902 in einer Stadtratssitzung.

Die (ursprüngliche) Brücke findet sich auch im Stadtwappen wieder; überragt von einem Kreuz. Sie garantiert den (Handels-)Reisenden einen Weg nach Norden, nach (Kern-)Frankreich, bzw. retour. Hier soll Hannibal die Rhône überquert haben, später waren römische Truppen hier unterwegs. (Mehrfach, wieder später, zuletzt 1814, sei Napoleon I. hier gewesen) Fest steht: Sorgues liegt schon immer an einem wichtigen Kommunikationsweg, der Via Agrippa, gleich weit entfernt von Avignon, Orange und Carpentras.

Das Château, ein gotischer Palast mit fünf Türmen, den wir von alten Stadt-Ansichten kennen, wurde um 1320 errichtet im Auftrag von Papst Johannes XXII. Er war der zweite von elf Päpsten und Gegenpäpsten während des avignonesischen Exils der Kirche. Er ließ auch die Sommerresidenz in Châteauneuf errichten. Sorgues diente ihm vor allem wegen der Straßenkontrolle, war also eher strategischer Natur. Gleichwohl war’s ein Schmuckstück. Das Intereiur: Allein die Böden belegt mit 10.000 bemalten Terrakottafliesen aus Saint-Quentin la Poterie im Gard.

Die Päpste kommen mit ihren Höfen, Kardinälen, Familien, Wachen und Dienern in diesen Palast. Sie begrüßen hier bedeutende internationale Gäste, darunter den Kaiser von Böhmen und Deutschland, Karl IV. Die acht Religionskriege zwischen Katholiken und Hugenotten im 16. Jahrhundert (Luther / Thesen Wittenberg war 1517) brachten mit etlichen Großfeuern - fast - das Ende des Gebäudes. Im frühen 17. Jahrhundert waren Louis XIV und „Musketier“ d'Artagnan unter den letzten, die in den Trümmern schliefen.  Folgte 1789 die die Revolution - und zehn Jahre später wurde die Ruine an einen Bauunternehmer verkauft, der das Gelände als Steinbruch betrieb.

Eine der Hauswände steht noch. In den Stadt-Geschichtsbüchern ist zu lesen, dass zahlreiche Häuser sowie die heutige Kirche Saint-Sixte aus den Steinen dieses Palastes erbaut sind. Hier mindestens zu erwähnen: Das Château verfügte zur Zeit seiner Blüte über herrliche Gärten mit einer Fläche von 3,5 Hektar Fläche.

Pont de l'Ouveze

 

Dominique Conti

 

Mein Freund Dominique Conti

Zwischen Brücke und Château hatte er sein zu Hause, Dominique Conti. An ihn muss ich erinnern, begleitete er doch unsere Partnerschaft von der Gründung an bis zu seinem Tod am 7. Mai 2019 im Alter von 83 Jahren. Vier Jahre zuvor war er nach über einem halben Jahrhundert als Sorgues-Korrespondent für die Zeitung „La Provence“ in den Ruhestand getreten. (Hauptberuflich bis in seine späten 50er Jahre war er in der Poudrerie tätig.) Er hat sie alle gekannt in der Stadt - die Politiker, die Händler, die Vereine und Verbände, die Sportler und die kleinen Leute. Ihm, dem privilegierten Beobachter des lokalen Lebens, wurde für seine Arbeit die Medaille der Stadt verliehen. Hinterließ Frau Monique, zwei Töchter, einen Sohn, vier Enkelkinder.

Interessant: Als Zwölfjähriger mit der Familie aus Italien nach Sorgues gekommen, wurde ihm die Stadt zur neuen Heimat. Am Ende war’s still um den Sportfreund, Bridgespieler und passionierten Koch: Alzheimer.

Mir war er ein Freund. Konnte immer zu ihm kommen auf einen Café in der kleinen Küche oder im Fall der Bitte um eine Bilddatei oder ein Negativ. Er war in den 1970ern auch in Wettenberg (1974?); Gastgeber von damals ist noch zu ermitteln. Immer für uns da - als Fotograf und Fürsprecher der Partnerschaft.

 

 

 

 

Kirche Plan de la Tour

Die Kirche wurde in den 1770ern an der Stelle eines ehemaligen Krankenhauses des Ordens des Heiligen Johannes von Jerusalem errichtet. (Und unweit der viel älteren, aber als Kultort aufgelassenen romanischen Kirche Saint Sixte.) Die Kirche ist direkt aus den Ruinen des päpstlichen Palastes von Sorgues gebaut, mit Ausnahme der klassischen Fassade, des Glockenturms und der Fenstereinfassungen.

Die Kirche ist für mich, für uns, der Platz etlicher Abschiede auf immer - und der Ort, an dem der Gesangverein Krofdorf mit dem Choral Amista bemerkenswerte Konzerte gestaltete.

 

Fast vergessen zu sagen: Wir haben unseren Spaziergang an der Brücke begonnen. Dort, wo vor geraumer Zeit auch noch das Schild mit dem Hinweis auf Wettenberg stand.

Nicht bös gemeint, die Anmerkung. Nur so. Stadt lebt.

Sind also von dort aus gelaufen gleich links ab, nach dem Abstecher hinter Dominiques Haus links wieder rechts weg und dann …

 

 

Durch die Grand Rue

… zur früheren Bürgermeisterei an der Ecke Frederic Gonnet / Rue Ducrés (auch Grand Rue seit den Zeiten der Revolution 1789)

Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch das Hotel „Virginia d’Ouvèze“ und vormals „Lapin bleu“ (mit Cabaret- und Musikabenden). Etlichen Krofdorf-Gleibergern seit 1972 eine willkommene Herberge; zuletzt gar mit kleinem Swimmingpool. Es half alles nichts: In Sorgues (Innenstadt) gibt es keine Hotels mehr. (Dass dem so ist … schon wieder eine andere Geschichte.)

Dann in der Rue Ducrés das Atelier monetaire, eine ehemalige Geldwerkstatt aus der unmittelbaren vorpäpstlichen Avignon-Zeit. Wenn italienische und provenzalische Kaufleute über die Brücke wollten, etwa zu Messen und Märkten, mussten sie Brückenzoll zahlen. Sehr konkret ging es auch darum, aus Münzen fremder Währungen eine solche von lokaler Bedeutung zu prägen.

Von Interesse gewiss auch der Brunnenplatz „Font Giscletto“. Sorgues hatte zwar (bis zum ersten Netz 1908) dank der von der Sorgue östlich der Stadt abgeleiteten Kanäle und Rinnsale viel (fließend) Wasser zum Antrieb von Mühlen und Maschinen oder zur Bewässerung von Feldern … aber gleichwohl erhebliche Trinkwasserdefizite respektive (über Jahrhunderte) heftige Hygieneprobleme.

Hier muss die Rede auf die Gebäudezuschnitte kommen - aber nur beim unmittelbaren Spaziergang. Und wir reden nicht von einer allzu entfernten Zeit. Und wir wissen, wie es ist in der Welt.

Folgt zwingend der Hinweis auf die 7 Brunnen (Mitte 19. Jh., aus den Quellen der Orme) und jene aus dem Griffon-Kanal, die indes alle ungenügend speisten: Im Sommer trocken, im Winter teilweise vereist.

Morgens Kochwasser holen, mittags Trinkwasser, nachmittags Spülwasser, abends wieder Wasser für den Tisch. Erst - erwähnt - 1908 war der Spuk vorbei.

(Anempfehle doch zwingend mal eine Reise nach Nordafrika, einfach mal etwas weiter als Casablanca, Marrakesch und Fes. Das ist jenseits des Mittelmeers und dort im ländlichen Raum noch gang und gäbe. Oder reden wir über Senegal, Mali …)

 

 

Die Bevölkerung vor gut 150 Jahren

Mehr als 70 Prozent der Leute waren Mitte des 19, Jahrhunderts in der Landwirtschaft tätig, vor allem im Wein- und Obst- sowie Gemüseanbau. Innerhalb der Altstadt, im Oval, dem Village perchée, zählte man 1450 Bewohner. Dazu etliche außerhalb in Gehöften. Vor der Mauer auch die Gärten. Rund 340 Familien. Wohnten dort mit dem Vieh. Die Abwässer (samt Fäkalien) gingen auf die Straße raus bzw. in den Fluss. Alles feucht, stickig, stinkend. Hin und wieder Überschwemmungen.
Die lokale Geschichtsschreibung (Etudes Sorguaises) sagt: Der Großteil der Bevölkerung lebte in einer prekären Situation.
Angesiedelte Berufe: 14 Maurer, 14 Schuhmacher, fünf Tischler, sechs Müller, zwei Schmiede, zwei Stellmacher (Wagenbauer), sechs Schneider. Fünf Übernachtungsbetriebe (Hotels?)

Zu erwähnen ist zwingend, dass diese gewiss nicht lauschige, aber eben originäre Altstadt in den Zeiten der Partnerschaft seit 1972 - mit Ausnahme der Kirche - nie eine besondere Rolle in der Programmgestaltung einnahm. Im Gegenteil: Sie wurde lieber versteckt. Wie vielerorts (und bis heute) auf der Welt, so war es (meine Annahme) auch hier: Wer konnte, der zog raus! Aus dem Dorf ins Neubaugebiet! In die Altstadt gingen die, die billigen/preiswerten Wohnraum suchten. Zuziehende Arbeiter. Migranten. Früher Italiener, Portugiesen, Spanier. Die Zuziehenden aus entfernteren Frankreich-Provinzen, später, nach 1962, die Maghrebiner, vor allem darunter Algerier.

Überhaupt: Von 1856 an (Bahnhof, Rathaus, Industrie …) immer mehr als 4000 Einwohner. 1926 über 5000. Nach dem Zweiten Weltkrieg 7000. Zum Ende des Algerienkrieges 1962 gut 10.000 - 1968 bereits etwa 14.000.

 

Louis Versepuy

Louis Versepuy

Nebenan, hinter dem Mühlrad - wir sind am südlichen Ende der Altstadt angelangt -, ein Beispiel für eher suboptimale Stadtsanierung der 1970er. Aber darum geht es nicht. Vielmehr um den Hinweis auf den öffentlichen Versammlungsraum im Erdgeschoss (Eingang andere Seite), um die Salle Louis Vesepuy.

Er war - wie seine Frau Yvonne - mit meinem Vater Karl Schmidt befreundet, hatte als hauptamtlicher Regionalvorsitzender der Anciens Combattants großes Interesse an einer Partnerschaft mit dem VdK Krofdorf-Gleiberg, war - hinter Fernand Marin - eine Triebfeder für das Zustandekommen unserer Jumelage.

Mein Vater seinerseits war, als Ex-Vorsitzender des VdK bei uns und als Bediensteter der Gemeindeverwaltung, von Bürgermeister Günter Feußner gebeten worden, hier die Dialoge zu führen. So kam es, dass VdK und die ACVG von Beginn an die Partnerschaft mitgestalteten und 1973 in Sorgues zusätzlich einen eigenen Vertrag unterzeichneten. (Unter den frühen Akteuren auch Maurice Laurent und René Tallerida, der heutige lokale ACVG-Vorsitzende).

(Die Schriftwechsel ist hinterlegt und wird zu gegebener Zeit für das DFG-Archiv zur Dokumentation aufbereitet.)

Tragik: Louis Versepuy stand 1976 kurz vor der Verrentung, als bei ihm Krebs diagnostiziert wurde. Monatelange Behandlung, dann der Tod. Genau fünf Jahre, nachdem er im Juni 1971 (also mehr als ein Jahr vor Jumelage-Unterzeichnung) eine bemerkenswerte Rede gehalten hatte, in der er die Notwendigkeit von Kommunalpartnerschaften unterstrich.

 

Louis Versepuy

 

Eine Rede, auf die Günter Feußner in seinem Kondolenzschreiben hinwies (das wiederum von meinem Vater bei der Trauerfeier verlesen wurde): „Wir brauchen, so Louis Versepuy, Annäherung der Menschen, Toleranz und gegenseitiges Verständnis, Achtung und Freundschaft.“

 

 

 

 

 

 

 

Pablo Picasso & Georges Braque -
Plakette am Republik-Platz bzw. Wandgemälde am Café de l’Industrie

Picasso-Platzierung an dieser Stelle von mir nicht nachvollziehbar.
Picasso bewohnte zwischen Juni und September 1912 die Villa „Les Clochettes“ (von der ich nicht weiß, wo sie ist oder war. Weiß nur „vor dem Rathaus“), Braques mit seiner künftigen Frau Marcelle die Villa „Bel Air“ an der Straße nach Entraigues.

Picasso liebte die Straßenbahnen - und so auch jene, die von Avignon hinaus aufs Land führte. So kam er im Juni 1912 mit seiner (neuen) Muse Eva Gouel nach Sorgues. Ihm gefielen „die grüne Stadt am Ende von Avignon und der malerische Markt“. Braque kam Ende Juli nach. Beide kannten einander u.a. aus Ceret. Sie hatten ihren Spaß an einfachen Freuden, kochen etwa (Quelle: Études Sorguaises) „Ajo Blanco, eine Dessertsuppe aus einheimischem Knoblauch, Mandeln und Trauben“. Diese bringe "viel zum Lachen“ und töte Fliegen - vollständig.
Und die Kunst?
Wir zitieren die örtlichen Geschichtsschreiber: „Der Kubismus befindet sich in seiner analytischen Phase und stößt an Grenzen. Braque und Picasso sagen, dass ihre Bilder zu weit vom Modell entfernt sind, zur Abstraktion neigen und ihnen missfallen. Folglich bringen sie reale oder beschreibende Elemente in das Bild ein. Dies ist die Geburtsstunde des synthetischen Kubismus. (…) In Sorgues entsteht das erste kunsthistorisch geklebte Papier. Braque fand in Avignon eine Tapetenrolle, die das Eichenholz imitierte. Er schnitt es aus und legte es auf seine Leinwand, schuf neue Räume zwischen der Illusion, die durch die Schatten und die Kohlelinien verursacht wird, und der Realität, die durch das aufgeklebte Papier eingeführt wird. Picasso malte auf einer der Wände der Villa "Les Clochettes" das Werk "Ma jolie".

Von der Sorgue-Landschaft mit ihren Zypressen und ihren zahlreichen Flüssen angetan, kehrte Braque von 1913 bis 1916 sowie darüber hinaus unregelmäßig bis 1930 jeden Sommer zurück. Auch um Zuflucht zu suchen, um eine Kriegsverwundung zu heilen und um seine Unruhe zu vergessen, um wieder zum Malpinsel zu greifen.

 

Wasserräder überall in der Stadt

Ursprünglich war die ganze Gegend ein riesiger Sumpf. Seit der Frühzeit versuchten die Menschen, das Land zu entwickeln, sich dort niederzulassen und das Terrain zu kultivieren. Der um 900 gegrabene Vaucluse-Kanal ermöglichte es, das Marschland zu trocknen. Dabei achtete man auf das Profi, schuf Gefälle, um die treibende Kraft des Wassers zu erhöhen.
Der Vaucluse-Kanal (entlang der Vedène-Straße) und der davon abgehende, nordöstlich verlaufende Griffon bewässerten Felder und Gärten, Olivenbäume, Reben, Weizen, Viehfutter. Später wurde das Wasser verwendet, um Maulbeerbäume zu gießen und Seidenraupenzucht zu ermöglichen. Die Kanäle speisten auch die Brunnen der Stadt.

Die Fabriken nutzten das reichlich vorhandene und nicht kalkhaltige Wasser seit dem 13. Jahrhundert, zunächst mit dem Bau von Weizenmühlen. Im 14. Jahrhundert kamen Papiermühlen dazu. Alsbald mehrere Mühlen für die Herstellung der Stoffe, für Seidenspinnereien und zudem eine Pulvermühle. Im 19. Jahrhundert dann zunehmend („Filialen in der ganzen Stadt“)  Futtermühlen und Ölmühlen. Man produzierte Stärke, schliff Steine, schärfte Metalle, produzierte Soda (Griffon Fabrik).

Hier war Arbeit - und Ausbeutung. Auch ein Mädchen-Internat gab es. Dort lebten Waisen und verstoßene Kinder, die man u.a. in Paris angeworben hatte.
(Anmerkung des Verfassers: Das führt hier aber zu weit. / 2019)

Stichworte noch: Krapp = pflanzlicher Farbstoff. Soda-Fabrik „Le Griffon“
Mitte 19. Jh u.a. 150 Beschäftigte in der Seidenraupenverarbeitung.

 

 

Place de la République / Cours de la République bis alte RN7

Jetzt wechselt der Erzähler und Erklärer - wie schon Mitte 2019 beim Erstellen des Spaziergangs - in den Staccato-Modus. Stichworte.

Nacherzähler müssen sich bemühen.

Republik-Platz mit Tivoli-Kino. An der RN7 „Lux“. Heutiges „Astrolab“ war Kino „Provence“ bzw. „Le Moderne“.
„Grand Bazar“ (de Russe / 1932-1977)  … Einzelhandel / Lebensmittel, Alltägliches, Kleidung … etc.

Grand Café de la Paix (heute Petit Prince)
-„- de l’Industrie
… überhaupt die ganze Cafés und Tabac-Bureaus.

Oben zur RN7 - Durchgangsstraße Avignon/Orange (Ortsumgehung kam erst in den späten 1990ern // ehedem Teil der (Napoleon I.) kaiserlichen Route „R. impériale“ von Paris nach Antibes)

Hotel-Restau „du Midi“ / „Le Central“ (Tram-Haltstelle … das in den 1970ern mit Kreide auf den Scheiben der Veranda bei den Durchreisenden warb für „Steak Frites 25 Francs“)

Daneben Oscar und dessen Bar „Le Splendid“, die Kneipe der Rugby-Spieler, gegenüber das „Commerce“. Beide mit exzellent bestückten Musikboxen. Generation „Salut les Copains“.  Noch ein Hotel am Rathausplatz

Aus dem Tivoli wurde Bruni-Blumen (wo wir unsere Brautsträuße kaufen 1982. Wir? Marlene und Uwe, Susanne und ich).

Hinweis auf den Einzelhandel und die Vereinigung C.A.P. Sorgues

Boulangerie von Maurice Laurent, in deren Hinterzimmer (Backstube) wir beisammensaßen (mit Dr. Milon), um Jumelage vorzubereiten - mit „51“. Maurice war mir großer Bruder und Filou, Beschützer und Erklärer, war wertvoll.

 

Hotel Davico

 

Architektonisch mindestens bemerkenswerter Eckbau gegenüber, Ex-Gemüseladen, neben dem das frühere Hotel Davico steht (Foto oben). Wieder eine eigene Geschichte. Unser Hochzeitsessen … aber viel gewichtiger: Wie viele andere Gebäude von den deutschen Besatzern in Beschlag genommen.

Alte These, wichtige Anmerkung: Wer Sorgues verstehen will, muss - mindestens - das Kapitel „S. unter deutscher Besatzung“ gelesen haben in Gerhard Bökels „Der Geisterzug, die Nazi und die Résistance“.

Auf der anderen Seite das Café de l’Industrie. Vormals Grand Café. Jedes Dorf, jede Stadt hatte ein Grand Café oder mindestens ein Café de France. Oben im Saal „Bingo“ und „Ésperance“ und die Fußballer und auf der Terrasse die Fastnachter und Gerhard Schmidt, der Dirigent …

 

Im Hintergrund das Elternhaus von Marie-Do, die Boulangerie, ein paar Meter weiter eine Poissonnerie im Eck, ein Fischladen.

Und dann überhaupt der Markt, der seit Menschengedenken immer sonntags am Vormittag stattfindet. Ein Magnet.

 

Nochmal Markt: Super-U. Nicht schön, aber immerhin mitten in der Stadt. Ohnehin lässt sich über „schön“ trefflich streiten. Aber diese Dinge sind gewiss korrigierbar.

Nicht zu vergessen das „20eme Ciècle“, unserem Apéro-Bistro nach der Hochzeit. Und jetzt - drei Jahre nach „Aufbau“ dieses Spaziergangs - auch schon wieder vorbei.

Der Zeitungsladen mit Michèle Poquet als Verkäuferin, Noras Gastgeberin, bei der wir Dauphiné Libéré / Vaucluse Matin und La Provence kauften, die unschlagbaren Bic-Kugelschreiber und Clairefontaine-Notizhefte

weiter oben jenes Restaurant, das mit Kreide auf den Scheiben der Veranda bei den Durchreisenden warb für „Steak Frites 25 Francs“.

 

 

Dazu Hinweis auf eine Beschreibung in der Festschrift zum Zehnjährigen der Partnerschaft mit Infrastruktur-Hinweisen. Mitte der 1960er hatten Sorgues und das benachbarte Le Pontet knapp 7000 Arbeitsplätze in 20 Fabriken und weiteren 50 Unternehmen. Das war auch Kaufkraft.

CAP Sorgues / Commercants, Artinsants, Professionells: Einzelhändler-Verbindung, Werbeverbund, Veranstaltungen. Kampf gegen den übermächtigen Riesen Auchan/IKEA im Süden der Stadt.
Auchan konkret, 18.000 Quadratmeter Verkaufsfläche: Sechstgrößtes Einkaufszentrum Frankreichs!

Das ganze Gebiet (Gemarkungen Pontet, Sorgues und Vedène), laut Wiki: „Avignon Nord est la plus grande zone commerciale d'Europe“. Dagegen kannst du nicht anstinken. Auch Avignon leidet. Andere Geschichte.

Dort auch eine Klinik (Sorgues), Distributeure, „alle“ Hotels/Ketten.

 

 

Erinnert sei an dieser Stelle de Stadtspaziergangs an jenen Mann, der abends mit einem blauen Renault-Transporter am Rathausplatz einrollte, einen kleinen Holzkohlegrill aufbaute und die besten Merguez weit und breit verkaufte.

 

 

Chateau de Saint Hubert und Stadtpark
(daneben kennen wir die Châteaus de Brantes, Gentilly (Pamard, Rassis), de Fontgaillarde/Doléon … de l’Oiselet … Gigognan, Bourdines  etc. Der Ort zählt rund zwanzig Schlösser und außergewöhnliche Häuser. )

Wir sind oben am Rondell, gleich neben der Altstadt.

In Sorgues war im 18. und 19. Jahrhundert ein von Aristokratie und Bourgeoisie der Comtadine geschätzter Ort. Die Herrschaften flohen (samt Damen und Entourage) aus Avignon, vor Hitze und mangelnder Hygiene. Auch nach Sorgues, um in der Nähe der Ouvèze ein zweites Zuhause zu bauen. So beauftragte die Familie De Vernety (Anwälte) 1782 den Bau des Château Saint Hubert und die Entwicklung des angrenzenden, über 50 Hektar großen Gartens, des zu gestaltenden Parks. O-Ton Études Sorguaises: „Sein Design weckt eine Vielzahl von Emotionen für den Wanderer, der vom Unterholz zum Rasen, vom Schatten zum Licht, von der Kühle zur Hitze geht und ihn zum Spazierengehen und Entspannen einlädt.“

In den 1930er Jahren wurden Schloss und Park an die Stadt abgetreten. Das Schloss mit seiner an Versailles und Sanssoucis erinnernden Fassade - seit 1949 unter Denkmalschutz - wurde Altersheim, der Garten zum Stadtpark für alle. (u.a. für Feste / Fete Votive.)  Der Park ist auch ein Ort des Sports (ehem. Basketball-Halle, Boulodrôme, Fußballplatz).

Apropos Schlösser bzw. besondere Häuser: In diesen Tagen (2020/21) beginnt die Sanierung des Chateau Gentilly (hinterm Verwaltungszentrum, am Bauhof, zur Stadthalle hin // 14. Jh bis Revolution 1789 ein Celestiner-Convent / Benediktiner-Unterorden // Hardcore-Katholiken, Inquisiteure ). Für 2,16 Millionen Euro … soll es ein Ausbildungszentrum für den öffentlichen Dienst im Vaucluse werden. Mieter ist das Nationale Zentrum für territorialen öffentlichen Dienst (CNFPT) im Vaucluse ein.

 

 

 

 

 

 

Straßenbahn / Tramway

Dieses Thema passt in die Zeit: 2019/20 wurde in Avignon die erste Straßenbahn der Neuzeit auf die Schienen gesetzt - zwischen Innenstadt und südlichen Vororten (bis Saint Chamand). Wie es dazu kam und was auf dem Weg bis hierhin geschah (Beschluss … Aufhebung … Streckenstreichung etc.) ist eine eigene Geschichte.
Richtig ist aber: Zu Beginn des 20 Jh. gab es in Avignon sechs Straßenbahn-Linien - von denen zwei aus der Innenstadt heraus bis Sorgues führten, bis an die Brücke über die Ouvèze, immer entlang der RN7. Deren Geschichte hat unser Freund Pascal Dujardin (Ex-Comité-Vorsitzender / + 1990) für „Études Sorguaises aufgezeichnet.
Sorgues zählt um 1900 etwa 4000 Einwohner, hatte Landwirtschaft, Handel und Industrie und Interesse eben dieser Straßenbahn. (Obwohl es seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Eisenbahn nach Avignon bzw. Lyon sowie eine Nebenstrecke nach Carpentras gab).
Technikangaben: Die Tram fuhr 20 km/h, brauchte für die Strecke 50 Minuten. Der Motorwagen bot 14 „geschlossene“ Sitzplätze und 2x13 (offene) Stehplätze. Im angehängten Waggon fanden 40 Fahrgäste Platz. Im Volksmund hieß die Bahn „Le Buffalo“, weil sie die Leute an Züge im Wilden Westen Amerikas erinnerte.
(Wohlhabende) Städter nutzten die Möglichkeit, etwa Familienfeiern auf dem Land zu veranstalten oder dort Feste zu besuchen. Sorguaiser gingen nach Avignon ins Theater, konnten noch abends nach Hause. Firmen mieteten einzelne Fahrten, um ihre Beschäftigten an die Arbeit und nach Hause transportieren zu lassen. Apropos: Ihre wirtschaftlich beste Zeit hatte die bahn im Ersten Weltkrieg, weil sie Fabrikarbeiter aus Avignon zur (neuen) Poudrerie (Pulverfabrik ab 1915/16) und zurück brachte.
Geringe Geschwindigkeit und mangelnder Komfort brachten 1932 das Aus.
Heute: Sorg’en Bus (mehrere „Bussi“-Linien) und seit 2015 neuer Bahnhof (mit zwei Linien / TER Lyon und RER Carpentras … direkt zum TGV)

 

Mairie

Hier ist vorab die infrastrukturelle Querverbindung zur Eisenbahn herzustellen: 1854 bekam Sorgues (mit Chateauneuf-du-Pape) einen Bahnhof an der neuen Linie Paris - Lyon - Marseille. Das hieß: Für die lokale Wirtschaft (z. Bsp. Gemüse / Isle de l’Oiselay, Wein etc.) taten sich bessere Vermarktungswege (ergo neue Märkte) auf, gab’s einen Aufschwung. Die Altstadt (14. Jh. und älter) platzte derweil aus allen Nähten. Dort lebten rund 1500 Menschen. Zudem 220 in Ronquet (heute hinterm Unico) und 340 in den Faubourgs, weitere draußen auf dem Land.

Nach langer Standortdebatte entschied man sich für die (damals) externe Lösung, für den mit bürgerlichen Steinhäusern gesäumten und auch verkehrlich (Straßen) gut erschlossenen Platz Dis Iero zwischen Bahnhof und historischer Innenstadt. Im neoklassizistischen Bau, eingeweiht 1859, waren Büro und Wohnung des Stadt-Sekretärs, ein großer Versammlungsraum, ein einfacherer Saal für den Rat, zwei Zimmer für Kommissionen/Gremien, ein „cabinet“ für den Bürgermeister und eine Hausmeisterwohnung. Bemerkenswert: Drei innere Fensterbögen korrespondieren mit den Bögen der alten Brücke über die Sorgues. Die Uhr war nicht immer da, kam erst - nach Protesten aus der Bevölkerung - um 1880 an die Giebel. Den Leuten war der Weg zur Kirche (mit der Uhr) zu weit bzw. sie hörten den Glockenschlag von dort nicht gut genug. Die Uhr musste ein- bis zweimal pro Woche aufgezogen werden - bis man 1954 ein elektrisches Uhrwerk einbaute.

Es ist unser Hochzeitsrathaus, das von Marlene und Uwe, Susanne und mir.

Ist immer noch Platz für Hochzeiten, zudem Ausstellungsräume. Und zentraler Gedenkort (70/71, 14-18, 39­­-45), große Tafeln mit Namen. Im Kellergeschoss zum unteren Platz hin Weinbar/Szene-Gastronomie „Le 18-59“ (jetzt, wie ich höre, geschlossen.)

 

 

Kulturzentrum „Camille Claudel“

Gelegen an der Straße nach Avignon, ehem. Meuble Combe.

2011 (zweistellige Millionen-Euro-Investition)

Mit Médiathèque (IT und Bibliothek und Kurse etc.) / Musikschule / Tanzschule (Ballett) / l’E.C.L.A. = Kulturraum für Freizeit und Kunst (L'Espace Culturel des Loisirs et des Arts de Sorgues) / Accueil municipal des Jeunes. Plus Konzert- und Ausstellungssaal.

Gleichwohl: Was für eine Chuzpe, eine Dreistigkeit, diese Haus nach ihr zu benennen. Hingegen: Schlicht ein grandioser Schachzug.

Gegenüber die alte Kommunisten-Heimat, deren Vereinsheim, benannt nach Fernand Marin..

Nun aber Avenue de Gentilly … wo es einmal einen Laden namens „Bouffier“ (Hugenotten) gab …

Wir sind immer noch auf unserem Spaziergang.
Zieht sich hin.

 

 

 

Avenue de Gentilly … Place Wettenberg

Hier wäre dann - wenn ich mitgehe - von Sorgues unter deutscher Besatzung zu reden (nach den Italienern), wären Betrachtungen anzustellen (Bökel / Meyer-Jäger u.a.).

Wir stehen an der Nahtstelle zum Industrie- und Gewerbegebiet.

Wirtschaft/Arbeit: Poudrerie (seit 1915 // jetzt: Eurenco / élaborés des explosifs à usage militaire et un important additif pour les carburants diesel (1er producteur mondial) / Eurenco est une filiale du groupe historique de la Société nationale des poudres et explosifs ) hat noch um die 250 Beschäftigte … von ganz früher einmal 5000 (!)
Erinnert sei an den Heizgerätehersteller (Warmwasserbereiter / Einbauduschen … Frankreich großer Markt) Héraud (als Schlosserei gegr. 1904) … mit in besten Zeiten 500 Beschäftigten. 1984 am Ende.

Nein, wir gehen weiter.
Ich werde auf meine alten Tage hin noch einmal vorangehen,
erzählen, erklären - soweit ich das kann.

 

Zur Place Wettenberg: Ein Areal von hohem emblematischem Wert, der lang verkannt war. Neben dem Wasser (Sorgue … Industrie etc.) war die Bahn von 1854 an der Schlüssel zum wirtschaftlichen Auskommen, zum Aufschwung. Dann 1980 die Umbenennung in Wettenberg-Platz. Wieder zehn Jahre später die „Train Fantôme“-Recherchen und -Veröffentlichungen, der neue, erweiterte Blick auf die Geschichte des Platzes. Das erste Denkmal dann vor dem Bahnhof, 2005 ein weiteres, von uns gestiftet zum 60-Jährigen des Kriegsendes. Mittlerweile zwei Bäume aus Wettenberg. Mein Wunsch: Dieser Platz sollte Eingang finden in den „Heimatkundlichen Parcours“ - als ein Ort der Versöhnung.

Der Wunsch geht in Erfüllung --- 2022, zum 50-Jährigen der Partnerschaft.

 

 

 

Folgt an dieser Stelle der Hinweis auf
Sorgues retro / Stadt-Homepage (
www.sorgues.fr)

Aus einer Datenbank von mehreren tausend Dokumenten (Archivar Robert Deymier) ist eine bemerkenswerte Auswahl von fast 4000 Fotos online gestellt worden. Bürgermeister spricht vom „Geschichtsbuch der Stadt“. Alle diese Dokumente seien „Teil des Erbes unserer Stadt“. Seit 2021 haben wir die Jumelage dabei, die Partnerschaft mit Wettenberg.

 

 

 

 

Sorgues und Tourismus - daraus wurde nichts

In der Wettenberg-Broschüre zum Zehnjährigen der Partnerschaft steht geschrieben: Sorgues ist nicht das Paradies, also kein lauschiger provencalischer Flecken wie etwa die Dörfer im Lubéron, nicht einmal wie Bédarrides oder Courthezon in der unmittelbaren Nachbarschaft. Aber Sorgues liege mitten drin im Paradies.

Aber warum wurde das nichts mit dem Tourismus, der von Beginn des bezahlten Urlaubs an in Frankreich (Mitte der 1930er) auch und gerade in der Provence nur eine Richtung kannte - nach oben?

2001 beschäftigte sich Stephanie Soulier mit dem Thema. Ihr Aufsatz „Sorgues - ville de passage“ wurde in einem Heft der Études Sorguaises veröffentlicht.

Sorgues sei die letzte Stadt vor der weltberühmten Touristenstadt Avignon, sei aber nur - so kurz vor dem Ziel - nur ein Durchgangsort. Sowohl für Automobil- wie Bahnreisende. Man habe zwar eine reiche historische Vergangenheit, aber dafür fehlten „architektonische Zeugen“, etwa für die mittelalterliche Sommerresidenz der Päpste. (Die hatten die Sorgueser selbst demoliert. Oder eben „die Revolutionäre“.)

1855 merkte Frédéric Bernard bei Beschreibung einer Reiseroute von Lyon zum Mittelmeer an, vom historischen Glanz der Residenz seien „nur noch Trümmer vorhanden“. Aber immerhin: Bernard betont die Schönheit der Frauen, was später vom Guide Joanne und dem „Guide bleu“ wiederholt wird.

 

 

"Die Reisenden und die Bewohner der Provence und des Comtat Vernaissin preisen seit jeher die Schönheit der Frauen von Sorgues. Man möchte meinen, sie könnten in diesem Punkt mit den Arlésiennes konkurrieren.“ Aber es sei eine heikle Frage, die man nicht beantworten wolle. Anerkennen wolle er aber, dass die Frauen von Sorgues ihren Ruf verdienten, weil sie in ihren Profilen den lateinischen und den griechischen Typ harmonisch vereinten.

Aber noch einmal zum Kern: In einer Provence voller architektonischer Schätze und voll pittoresker Orte erblasst Sorgues. Seit 1911 wird Sorgues von Fremdenführern als Industriestadt beschrieben. Trotz Infrastruktur (u.a. Hotels, preiswerter als in Avignon) und Anbindung (Straße und Bahn) blieb man eine Transitstadt, in der sich der Tourismus nicht entwickelt hat.

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Und dann waren wir bei unserem Spaziergang noch nicht am Friedhof (bei unseren Toten, die auch wir Wettenberger kennen), noch nicht an der Poudrerie, noch nicht in den Gewerbegebieten, die das Umland und dort den familiengeführten Einzelhandel erdrücken, die ihn umbringen, ohne ihn gänzlich zu töten (Auchan, IKEA etc. - milliers des boutiques), noch nicht an der Ile d’Oisellay und am Lac de la Lionne, noch nicht in Neubaugebieten und am Stadtrand, noch nicht am ERO, noch nicht beim Wein in Gigognan und (verkauft) Bourdine, noch nicht an der Salle des Fetes und nicht am Parkplatz, an dessen Stelle es einmal ein Freibad gab („Unterm Pflaster liegt der Strand“ / sehr kontovers diskutiertes Ende, unschöne Begleitumstände), waren noch nicht am Centre Aéré und noch nicht … und, und, und …

 

 

 

Wir wollen diesen Stadtspaziergang an dieser Stelle beenden.

Ein Stadtplan dazu findet sich ganz am Ende - oder eben bei Christophs Stadtrundgang.

Diverse Quellen sind benannt. Ganz einfach also ist es, sich tiefer hineinzuarbeiten. Man muss es nur wollen.

Ein Foto muss ich an dieser Stelle einsetzen.
Aufgenommen am Spätvormittag des 28. Juli 1982 vor der Mairie.

Susanne und Norbert Schmidt sowie Marle und Uwe Lischper
mit Fernand Marin, dem Bürgermeister - und zuvorigen Stadesbeamten.

Es ist ein Dokument für das Gelingen unserer Partnerschaft.

Uwe Lischper starb am 15. September 2022,
wenige Tage vor der (vorläufig letzten) Nachbearbeitung
des 2019 für eine „Tour de France“ der Wettenberger Deutschfranzosen
konzipierten Bummels durch Sorgues.

Ihm sei dieser Weg gewidmet.

 

 

 

 

 

Vorläufig letztbearbeitet am 27. September 2022