Partnerschaftsgründer
Günter Feußner
Feußners lokal verankertes europapolitisches Wirken ist in der Geschichte unseres Vereins mehrfach dargestellt worden; über die Gründung der Jumelage hinaus auch wegen seiner Initiative, 1977 die Deutsch-Französische Gesellschaft zu gründen, um die Partnerschaft während der Lahnstadt-Jahre am Leben zu erhalten. Der Anstoßgeber selbst übernahm den Vorsitz, holte 1980 als neuer Bürgermeister der ebenso neuen Gemeinde Wettenberg das Partnerschaftswesen zurück ins Rathaus. 1987 zog er sich aus der DFG-Spitze zurück. Dreizehn Jahre später ernannte ihn der Verein zum Ehrenpräsidenten (ausführlich nachzulesen unter ../aktuelles/g_feussner_2010.html). Damals wie heute sind wir überzeugt: Die Jumelage mit Sorgues konnte nur gelingen, weil Feußner von Beginn an persönlich wie politisch an Grenzen ging, weil er mit seinem kongenialen Freund und Kollegen Fernand Marin kreativ agierte und Menschen zur Teilhabe motivierte. Dieses Tun war uns Vorbild.
40 Jahre, nachdem Du Deinem Freund Fernand Marin und dessen Weggefährten Roland Rampal zur Wettenberger Ehrenbürgerschaft gratulieren durftest, bist Du nun selbst mit dieser Auszeichnung bedacht worden (Foto dazu am Kopf des Berichts). Was bedeutet es für Dich, Ehrenbürger der bei Avignon gelegenen Partnerstadt zu sein? Günter Feußner: Das ist eine besondere Ehre. Ich empfinde Dankbarkeit für die Anerkennung meiner mehr als 50-jährigen Arbeit für die Partnerschaft, für Völkerverständigung. Sorgues gehört zu einem wichtigen Meilenstein in meinem Leben.
Erster Franzosen-Empfang 1971 in Krofdorf-Gleiberg. Abgebildet sind u.a. Hans Weidler, Roland Rampal, Günter Feußner, Marie-Dominique Rampal, Fernand Marin, Walter Schmidt und Arnold Schmidt. War es schwierig, die internationalen Bande zu knüpfen – damals in den frühen 1970er Jahren? Immerhin hatte Krofdorf-Gleiberg schon gut ein Jahrzehnt in Frankreich um eine Jumelage gebuhlt? Die Verheerungen des Zweiten Weltkrieges waren noch im Bewusstsein. Bezüglich der Partnerschaftsbemühungen – es waren ja die Mittsechzigerjahre – war es anfangs schwierig. Die Kontakte zu Calvisson führten zu keiner Partnerschaft, ebenso wenig wie die Bemühungen nach L`Isle-sur-la-Sorgues und Vaison-la-Romaine, die von den Wetzlarer Partnern in Avignon, Julien Dhombres und Didier Laugier, vorbereitet waren. Das änderte sich schlagartig mit dem Besuch von Fernand und Claude Marin sowie Roland und Marie-Dominique Rampal am 30. Oktober 1971.
Welche Rolle spielten „die Wetzlarer“, die bekanntlich – mit Avignon verschwistert – in ihrem Einzugsgebiet, Krofdorf-Gleiberg zählte noch zum Kreis Wetzlar, um Städtepartnerschaften warben? War Elsie Kühn-Leitz ein Vorbild? Wer waren diesbezügliche Begleiter und Helfer? In dieser Zeit hatten wir immer guten Kontakt zu den Wetzlarer Partnerschaftsverantwortlichen und -aktiven, namentlich Elsie Kühn-Leitz, ein Vorbild, Herrn Helmsen und Walter Fabel. In Zusammenhang mit dem Besuch aus Sorgues war Hans Weidler ein Motor.
Die Ehrengilde bei einer der frühen Partnerschaftsveranstaltungen:
Bei der Begründung der Partnerschaft
hatten wir uns die Frage gestellt: Passen die Strukturen unserer Gemeinden
zusammen als Grundlage für einen regen Austausch? Der politische Wille war auf
beiden Seiten vorhanden. Die örtliche Gemeinschaften mit ihren sportlichen und
kulturellen Möglichkeiten boten und bieten noch immer beste Voraussetzungen
für die Partnerschaft. Vergleichbare Sportvereine, kulturelle Einrichtungen und
Initiativen, Jugend- und Schüleraustausch (hier links Fotos davon mit u.a.
Brigitte Mestre und Nora Schmidt sowie Thomas Neuhaus) boten sich an und
führten zu vielen Begegnungen und persönlichen Freundschaften. Ein Höhepunkt
des Austausches war die Teilnahme von 350 Besuchern zur 1200-Jahr-Feier 1974.
Eine Gruppe aus Sorgues gestaltete das historische Programm mit – ein Spiel
über die Französische Revolution. 1975 gab es den Gegenbesuch in die Provence.
Ein Sonderzug mit mehr als 300 Partnerschaftsbegeisterten brachte uns nach
Sorgues. Wir erlebten unvergessliche Tage auch in der Camargue. Anschließend
reisten Delegationen aus Sorgues und Krofdorf-Gleiberg gemeinsam zum Europäischen
Gemeindetag nach Wien. Könntest Du bitte für Nachgeborene kurz schildern, wie sich die Partnerschaft auf Dein Privatleben auswirkte. Weggefährten von Dir und Deiner Frau Erna wissen, dass die Bürgermeister-Ehepaare im besten Sinn lebenslänglich miteinander befreundet waren. Die Partnerschaft und die persönliche Freundschaft mit Claude und Fernand Marin und ihrer Familie und ihren Freunden waren und sind eine große Bereicherung für unser Leben. Familienleben, Kulinarik, die Lebensart in Frankreich haben wir kennen- und lieben gelernt. Wir haben uns mehrmals im Jahr getroffen, gemeinsam Urlaub gemacht und größere Reisen unternommen. Durch meinen und unseren Kontakt zur Familie Umeda aus Osaka/Japan wurden die familiären Begegnungen noch erweitert.
Kritiker meinten immer wieder mal, „so wie früher“ sei es ja nicht mehr mit Sorgues, das Modell Gemeindepartnerschaft sei aus der Mode. Hattest Du je Sorge, dass das Miteinander einschlafen könnte? Immerhin bist Du mit Erna – neben einigen anderen Menschen aus Deiner Generation – der lebende Beweis für ein nach wie vor vitales Miteinander. Die Welt hat
sich seit den 1960er und 1970er Jahren verändert. Reisen in aller Herren Länder
sind für viele selbstverständlich geworden. Moderne Kommunikationsmittel
verändern die Austauschmöglichkeiten. Sie sollten auch genutzt werden.
Persönliche Begegnungen haben eine andere Qualität. Wenn wir diese Erfahrungen
nutzen, wird das Miteinander eine gute Zukunft haben.
Namentliche Widmung des
Bahnhofsvorplatzes in Sorgues,
Könntest Du bitte Dein politisches Vermächtnis skizzieren: Was sollten Kommunalpolitiker der demokratischen Parteien bedenken, wenn sie über Partnerschaftspflege zu befinden haben? Die Kommunalpolitiker sollten den Blick auf Europa lenken, gerade in der jetzigen Zeitenwende. Da gilt es, Partnerschaft zu pflegen, demokratische Werte zu stärken. Die Kommunen sind die Keimzelle der Demokratie.
Immer schon waren junge Menschen Teil der Begegnungen zwischen Sorgues in Wettenberg. Zunächst Jugendaustausch, dann Schüleraustausch bis 2000/01. Parallel dazu Vereinsbegegnungen. Später die erfolgreichen „Train Fantôme“- sowie die „Kunst und Kultur im Exil“-Projekte mit der Gesamtschule. Und nun, zum 50-jährigen Jubiläum, waren wieder 26 Jugendliche dabei. Wie stehst Du zu dieser Entwicklung, die so gar nicht der negativen Nachrede im öffentlichen Raum entspricht? Das ist eine großartige Bilanz. Daran sollten die Kommunalpolitik und unsere Deutsch-Französische Gesellschaft anknüpfen und weiter aktiv die Partnerschaften gestalten. Ich empfehle auch wieder einen Verwaltungsaustausch.
Im kommenden Jahr – die Einladung ist ausgesprochen – sind die Sorgueser zu Gast in Wettenberg, um „50+1 Jahre Partnerschaft“ zu feiern. Gibt es dazu eine Art Vorfreude Deinerseits? Auf jeden Fall!
Letzte Frage. Mit dem Veranstaltungsreigen in Sorgues ist auch Wettenbergs zweite Partnerstadt Grigny/Rhône enger an die langjährigen Weggefährten herangerückt. Stellt es Dich zufrieden, wenn sich so weitere Möglichkeiten zum Ausgestalten des Miteinanders eröffnen? Im Bereich der jungen Generation ebenso wie unter gleichartigen Vereinen. Nicht zu vergessen vor den Afrika-Hintergrund: Grigny hat Koupela/ Burkina Faso mit im Boot, Sorgues brachte jüngst Grand Popo/Benin ins Spiel. Die zweite
Partnerschaft mit Grigny ist eine Bereicherung und Chance für viele
Aktivitäten, die es ja auch schon gegeben hat. Die Freunde in Grigny haben
nicht zuletzt nach der Buspanne nach der Rückfahrt vom 50-jährigen Jubiläum in
Sorgues auf der Autobahn bei Lyon in großartiger Weise ihre Hilfe gezeigt. Ich
sehe viele Möglichkeiten des Austausches auf verschiedenen Ebenen. Auch die
Afrika-Initiativen begrüße ich sehr. Für unsere Partnerschaften sehe ich
spannende, weitere positive gesellschaftliche Entwicklungen. Das Gespräch führte Norbert Schmidt
Günter Feußner im Kreis der 2022
seitens der Stadt Sorgues geehrten bzw. mit Geschenken bedachten Personen;
darunter (vorn) die Bürgermeister Marc Nees und Thierry Lagneau sowie Amicale-Train-Fantôme-Vorstandsmitglied
Edith Silve, (Mitte rechts) die Eheleute Walter und Anne-Rose Rinn als
Mitgründer |